Marmor, Stein und Jochen bricht
Einige Monate zuvor war ich bei meiner Suche nach neuen Talenten auf eine Band gestoßen, die sich, für Außenstehende etwas kryptisch, Rodgau Monotones nannte.
Die Urbesetzung bestand damals aus Peter "Osti" Osterwold Gesang, Albrecht "Ali" Neander Gitarre, Raimund Salg Gitarre, Joachim "Joki" Becker Bass, Hendrik "Henni" Nachtsheim Saxofon und Gesang und Jürgen "Mob" Böttcher Schlagzeug.
Zunächst wollte ich mit den Monotönern sozusagen zum anwärmen, den Drafi Deutscher Titel "Marmor Stein und Eisen bricht" aufnehmen und als kleine schwarze Scheiben unters Volk bringen.
Die lustigen Musikanten kamen ins Studio und wir begannen mit den Aufnahmen. Es ging auch zügig voran und bald hatten wir so viel Rohmaterial aufgenommen das es genügte, eine LP zu füllen.
Mit diesem Rohmaterial wagte ich mich auf eine Empfehlung hin im Februar 1979 zu einem Termin mit dem HR Moderator Jörg Eckrich. Er schlug vor, die Woche darauf ein Rodgau Monotones Live Special mit persönlicher Anwesenheit der Künstler zu senden. Ich glaubte mich verhört zu haben, als er dafür eine volle Stunde Sendezeit ansetzte.
Ich hatte es geschafft, die Band in kürzester Zeit aus dem Proberaum in den Rundfunk zu bringen.
Geschichte wiederholt sich bekanntlich und so machte ich mit der HR Sendung als Basis trotz meiner deprimierenden Erfahrung mit der Hired Help Band, zum zweiten mal einen Termin mit dem CBS A&R Manager Jochen Leuschner aus.
Der hatte bereits über das Buschtelefon nur gutes von der Band gehört. Das ebnete den Weg ganz ungemein.
Und dieses mal schien mir das Glück hold zu sein. Er hörte sich ausführlich die Rodgauer Demo Cassette an und sagte nur: "Will ich haben!".
Dann bat er mich, ihn baldmöglichst über einen Liveauftritt der Band zu informieren und entließ mich unerwartet gut gelaunt.
Bald danach sollten die Flachlandbuben in der Mensa der Darmstädter Uni auftreten. Reichlich nervös briefte ich vor dem Gig die Band, zunächst ausschließlich die auf der Democassette
befindlichen, eigenen Titel zu spielen.
Gott Leuschner schwebte, sogar pünktlich, mit seiner Entourage ein und erwartete interessiert die Performance.
Was wir dann zu hören bekamen, entsprach leider in keinster Weise unseren Erwartungen. Es röhrte ein Stück aus den Boxen, als spielten sie auf einem ZZ Top Coverband Wettbewerb um den ersten Preis. Beim Publikum kam das gut an, aber Herr Leuschner schaute etwas irritiert aus der Wäsche. Beim zweiten Titel, wohl durch den Applaus animiert, folgte ein weiterer Hit der Bärte.
JL wirkte etwas indigniert, dann erhob er sich im Verlauf der Darbietung und verließ nach knapper Verabschiedung den Saal.
Wenige Tage später kam ein Brief, Absender CBS. Nichts Gutes ahnend öffnete ich ihn und las die Worte
"...muß ich ihnen leider mitteilen, dass die Gruppe Rodgau Monotones nach meiner Überzeugung noch nicht reif genug ist, ihre eigenen Titel überzeugend zu präsentieren. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft...blah, blah, blah...Mit freundlichen Grüßen, Jochen Leuschner A&R. (Nach Diktat verreist)".
Damit war mein zweiter Majordeal den Bach runtergegangen...
Das kann doch nicht wahr sein
Nachdem auch dieser Ärger verraucht war, bot ich auf irgend eine dumme Empfehlung hin die Band der Plattenfirma Bellaphon an. Über die ging die Fama um "die nehmen alles". Wohl etwas übertrieben, aber in unserem Fall zutreffend.
Ich muß dazu klarstellen, dass dies entgegen anders verbreiteten Gerüchten wie alle Deals im Vorfeld immer mit der Band abgesprochen und abgesegnet war.
Der A&R Manager entpuppte sich dann als männliche Miss Piggy mit Rotzbremse. Als Flippers Betreuer konnte nur mit dem Titel "Marmor, Stein und Eisen bricht" etwas anfangen und war bereit, ihn
als Single herauszubringen.
Auf die B- Seite kam "Das kann doch nicht wahr sein". Dieser Song sollte sich später als selbsterfüllende Prophezeiung herausstellen.
Zuvor hatte ich, genervt von dem ewigen unnötigen Kompetenzgerangel, den Produzentenjob hingeschmissen und der im Studio verbliebene arme Spätschichtmalocher Laci wurde vom A&R der Weltfirma
genötigt, per Mischpult vertretungsweise das Werk fertigzustellen.
Die Endabmischung der Single mit dem Schnulzen- A&R als selbst ernannter Produzent entwickelte sich, wie erwartet, dann auch zur mittleren Katastrophe, da er mit seinem Flippers Sound im
Hinterkopf weitere unmögliche Klangkorrekturen verlangte. Trotz unserer Bedenken wurde die Single schließlich mit seinem und der Band Segen fertiggestellt.
Das alles geschah im Herbst 1980.
Die Single verkaufte sich übrigens dank der gewaltigen Bellaphon PR Anstrengungen nur ein paar hundert Mal - zumindest laut Abrechnung und mit Sicherheit ausschließlich an die durchaus
beträchtliche Fangemeinde.
Nach diesem Flop gab es immer etwas zu nörgeln und nichts konnte man recht machen. Es stellte sich dabei heraus, dass die Kompromissbereitschaft der Band nur äußerst begrenzt war.
Heute ist das alles Geschichte und ich war nur damals etwas enttäuscht, dass meine ganze Arbeit einfach ignoriert und unter den Tisch gekehrt wurde.
Nach der Bellaphon Affäre war ich immerhin gut genug, den Deal für ihre erste LP "Wollt Ihr Musik, oder was?" mit Rockport Records einzufädeln. Die darauf folgenden drei LPs erschienen
ebenfalls unter diesem Label.
Ich war damals sehr stolz auf meine Rodgaus, aber erwarten durfte ich wohl nicht, dass dies überhaupt von der Band bemerkt wurde.
Wir waren halt jung und unerfahren, aber ein wenig schmerzte es schon, but that's life...
Jetzt noch ein Sahnestückchen für alle Rodgau Fans: Einmalige, nur noch auf einer einzigen Cassette erhaltenen nie veröffentliche Aufnahmen, die von den Monotones in den ersten Jahren ihres Bestehens oft live gespielt wurden.
https://soundcloud.com/alfred-e-neumann01/rodgau-monotones-cafe-oriental
https://soundcloud.com/alfred-e-neumann01/rodgau-monotones-shake-hands
https://soundcloud.com/alfred-e-neumann01/rodgau-monotones-come-on-lets-go
Die genau so schräge Story über das Making Of der LP "Wollt Ihr Musik, oder was?!" erzähle ich im nächsten Kapitel.